MontagsPost: Zeitnah

Kennen Sie „zeitnah“? Wissen Sie, was damit gemeint ist? Verwenden Sie selbst diesen Begriff? In welchem Zusammenhang und mit welchem Ziel? Oder werden Sie aufgefordert, etwas zeitnah zu erledigen?

Ich erinnere mich, dass die Verwendung des Wortes „zeitnah“ eine Weile ziemlich „in Mode“ war. Ich habe das Wort auch eingesetzt, zunächst ohne groß darüber nachzudenken, dann weil ich dachte, dass es geschäftlich einfach dazu gehört und auch mit dem Ziel, ein bisschen wichtig zu klingen.

Irgendwann habe ich über die Bedeutung nachgedacht und war mit dem Ergebnis nicht wirklich zufrieden.

Vor kurzem bin ich nach langer Zeit mal wieder aufgefordert worden, etwas „sehr zeitnah“ zu erledigen.

Das ist der Anlass, um mal wieder ausführlicher darüber nachzudenken, was „zeitnah“ eigentlich bedeutet.

Im Duden findet man folgende Ausführungen:

„zeitnah, Adjektiv

Bedeutungsübersicht: gegenwartsnah [und zeitkritisch], schnell [erfolgend]; umgehend

Synonyme: aktuell, auf dem neuesten Stand, auf der Höhe der Zeit, gegenwartsnah, up to date, zeitgemäß;

im Handumdrehen, prompt, rapide, rasch, schnell, sofort, sofortig, unverzüglich, zügig; (…)“

Im Thesaurus findet man folgendes:

„bald, binnen kurzem, in absehbarer Zeit, in allernächster Zeit, in der nächsten Zeit, in Kürze, in Kurzem, in nächster Zeit, in naher Zukunft, jetzt allmählich, jetzt bald (…)“

„Zeitnah“ bedeutet also so etwas ähnliches wie „bald“ oder „schnell“.

Weiter oben habe ich bereits erwähnt, dass ich mich mit der Verwendung des Begriffs und der Bedeutung wenig zufriedenstellend auseinandergesetzt habe.

Stellen Sie sich vor, Sie sind Kunde, haben ein Problem, rufen bei einer Hotline an und erhalten als Antwort: „Wir werden das Problem zeitnah lösen.“

Prima. Aber bis wann? Also bis wann genau? Schließlich brennt Ihnen das Problem unter den Nägeln und am besten wäre, wenn es das Problem gar nicht gäbe. Sie würden gern weitermachen, ohne das Problem, und je länger Sie warten müssen, desto ärgerlicher ist es. Also, bis wann ist das Problem gelöst?

Zeitnah.

Stellen Sie sich vor, Sie sind Kunde, haben ein Problem, rufen bei einer Hotline an und erhalten als Antwort: „Wir werden das Problem innerhalb von 24 Stunden lösen.“ Oder: „Sie erhalten unsere Antwort bis Mittwoch.“

Gut. Natürlich wäre es am besten, wenn es das Problem gar nicht gäbe, schließlich würden Sie gern weitermachen. Wenn jetzt aber die Firma wirklich den genannten Termin einhält oder vielleicht sogar schneller ist, dann können Sie sich darauf einstellen und müssen nicht dauernd prüfen, ob sich schon was getan hat an der Lösung des Problems. Ideal wäre natürlich, wenn sich die Firma meldet, um Ihnen mitzuteilen, dass alles wieder funktioniert. Aber das ist noch ein anderes Thema.

Stellen Sie sich vor, Sie arbeiten intensiv an einem Projekt, für alle zu erledigenden Aufgaben gibt es einen engen Zeitplan. Sie arbeiten konzentriert, Punkt für Punkt, manchmal mehrere Dinge gleichzeitig, beantworten noch Fragen von Kunden und Kollegen und plötzlich kommt ein anderer Kollege/ Vorgesetzter vorbei und fordert Sie auf, eine zusätzlich Aufgabe doch bitte zeitnah zu erledigen.

Wie geht es Ihnen damit?

Sie lächeln und sagen „Natürlich, gern, das mache ich gleich“ oder Sie denken „Hä? Wie bitte? Das jetzt auch noch?“ oder Sie sagen „Ja, mache ich. Legen Sie es da ab“ (…) und vergessen das Anliegen (unabsichtlich). Oder fragen Sie „Bis wann genau soll diese Aufgabe erledigt werden?“

Kommt Ihnen das eine oder andere bekannt vor? Gibt es eine Lösung, für die Sie sich entscheiden? Wie halten Sie es aktuell?

Sie dürfen sich auch gern in die Rolle des Kollegen/ Vorgesetzten hineinversetzen. Sie bitten einen Kollegen/ Mitarbeiter um die Erledigung einer Aufgabe. Zeitnah bitte. Bis wann hätten Sie es denn gern? Gleich? Sofort? Bald? Unverzüglich? Oder reicht es bis übermorgen, nächste Woche, nächsten Monat?

Wie wäre es, wenn sie konkret äußern, was Sie sich wünschen oder ist es doch nicht so wichtig?

zeitnah

Knallen Sie Ihrem Gegenüber nicht solche unbestimmten Formulierungen an den Kopf. Seien Sie verbindlich, kommunizieren Sie Ihren Wunsch, Ihre Dringlichkeit. Fragen Sie trotzdem nach, bis wann die Aufgabe erledigt werden kann, treffen Sie verbindliche Absprachen mit einem Termin. Machen Sie sich nicht unnötig wichtig. Ihrem Kollegen/ Mitarbeiter ist Ihre Position bekannt, Sie müssen Ihre Macht nicht demonstrieren oder fürchten Sie darum?

Ok, es ist nicht immer einfach, sich konkret festzulegen, aber wenn Sie mehr miteinander kommunizieren, dann fällt es viel leichter, einen für beide Seiten zufriedenstellenden Zeitpunkt, zeitnah oder auch etwas später zu finden.

Bei meiner Recherche zum Thema „zeitnah“ bin ich auf einen Artikel von Bastian Sick „Zwiebelfisch: Wie nah ist zeitnah?“ gestoßen. Meine Lieblingsabschnitte möchte ich Ihnen nicht vorenthalten, den vollständigen Artikel sollten Sie zeitnah, also direkt im Anschluss an diesen MontagsPost lesen.

„Wie schwer es uns fällt, die Zeit zu bestimmen, zeigt sich an Wörtern wie „sofort“, „gleich“ oder „später“. Ein guter Bekannter klärte mich einmal über die in seiner Abteilung übliche Unterscheidung auf. „Das erledige ich sofort“ bedeute so viel wie „im Anschluss an meine Kaffeepause“, während „das erledige ich gleich“ so viel wie „nachher, am späteren Nachmittag, wenn alle meine Ebay-Auktionen abgelaufen sind“ bedeute. Die Aussage „das erledige ich später“ stelle klar, dass mit einer Erledigung keinesfalls mehr am selben Tag zu rechnen sei. (…)“ (Quelle: „Zwiebelfisch: Wie nah ist zeitnah?“

„(…) Politiker lieben das Wort „zeitnah“, weil es gebildet klingt, auch wenn es in Wahrheit genauso unpräzise ist wie „bald“ oder „demnächst“. (…) Seitdem hat die Verwendung des Wortes „zeitnah“ bei Politikern und in den Medien sprunghaft zugenommen. Immer wieder hört und liest man von „zeitnahen Lösungen“ und „zeitnahen Umsetzungen“, und die Bahn verspricht „zeitnahe Auskünfte über Verspätungen und Anschlussmöglichkeiten“. Ob Politiker ihren ungeduldig wartenden Kindern wohl auch erklären, Weihnachten sei zeitnah?“ (Quelle: „Zwiebelfisch: Wie nah ist zeitnah?“

In diesem Sinne…

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